Chris Ferguson, Generalsekretär der Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen (WGRK), hat während einer Reise in den Südsudan aus erster Hand erfahren können, wie lebendig und aktiv die Kirche dort inmitten aller Unruhen und Krisen ist.
Die von Debbie Braaksma, Koordinatorin für Afrika der Presbyterianischen Kirche der USA (PC(USA)), organisierte Reise schloss Besuche in einem Lager für Vertriebene im eigenen Land (IDP), in einer Grundschule, auf dem Campus des Nile Theological College in Juba sowie Begegnungen mit führenden Vertretern der Presbyterian Church of South Sudan (PCOSS) und der South Sudan Presbyterian Evangelical Church (SSPEC) ein. Zur Delegation gehörten weitere missionarische Mitarbeitende der PC(USA).
Die PC(USA) arbeitet partnerschaftlich mit der PCOSS zusammen, die ein Mitglied der WGRK ist, sowie mit der SSPEC, einer jungen Kirche, die beabsichtigt, die Mitgliedschaft in der WGRK zu beantragen.
Besuche bei der PCOSS: IDP-Lager, Grundschule
In Mahad, einem IDP-Lager am Rand von Juba, wo 7.500 Menschen untergebracht sind, leben drei verschiedene ethnische Gruppen zusammen. Der Lagerverwalter erklärte, dass die Menschen im Lager miteinander lachen können, während sich dieselben ethnischen Gruppen außerhalb des Lagers in entfernteren Regionen gegenseitig umbringen. Den Grund dafür, dass sie im Lager friedlich zusammen sein können, sieht er in der Kraft des Wortes Gottes.
Nach der Besichtigung des Lagers traf sich die Delegation mit einigen Kirchenältesten der PCOSS, die zurzeit im IDP-Lager leben. Einer der Ältesten sagte in seinem Grußwort: „Obwohl wir hier in Juba schwere Zeiten durchmachen, hat uns Gott unser Schöpfer nicht verlassen. Wie Paulus schreibt, auch wenn unser ganzer Leib leidet, erneuert Gott unsern Geist durch den Heiligen Geist.“
„Wir begreifen, dass an den meisten Orten, wo Gott Menschen mit einem Dienst vor Ort beauftragt hat, diese Menschen am geeignetsten sind, um uns zum Frieden anzuleiten“, meinte Chris Fergusson. „Ihr seid diejenigen, die uns leiten können.“
„Unsere Kirche braucht Stärkung“, antwortete darauf ein Pastor der PCOSS. „Kirchenleiter, Frauen und Jugendliche brauchen eine solche Stärkung, um sich im Südsudan für den Frieden einzusetzen. Die Kirche hat damit begonnen, sie hat schon viel für den Frieden getan, vor allem an der Basis, wo sie eine Rolle spielen kann.“
Die Grundschule der Akatgol Presbyterian Church im Jebel-Viertel von Juba wurde 2011 als Reaktion auf die Ankunft der Flüchtlinge gegründet. Die Murle-sprachige Agatgol-Gemeinde der PCOSS wollte den 11.000 Neuankömmlingen, unter denen auch viele Waisenkinder waren, geistliche, affektive und schulische Hilfe anbieten.
Es sind zurzeit 150 (davon ein Drittel weibliche) Kinder vom Kindergarten bis zur 5. bzw. 8. Klasse eingeschrieben. Die Einschreibungen, die einmal 300 Kinder umfassten, sind rückläufig, wegen der Schwierigkeit, Schulgebühren zu bezahlen, aber auch weil viele in die Flüchtlingslager in Kenia oder Uganda weitergezogen sind.
Zur Schülerschaft gehören Kinder verschiedener ethnischer Herkunft: Murle, Dinka, Nuer, und Equatorianer aus der Mitte, dem Westen und Osten. Im Jahr 2014 wurde die Unterrichtssprache von Murle auf Englisch umgestellt, weil Eltern anderer Sprachgruppen die Qualität der Schule sahen und ihre Kinder dort anmelden wollten.
„Diese Schule wird als ein Dienst der Kirche betrachtet“, erklärte der amtierende Schulleiter. „Jeden Tag sind wir und die Kinder mit Traumata konfrontiert, aber wir haben eine Ausbildung bekommen, um die Kinder zu beraten, auch wenn wir mehr Unterstützung bräuchten.“
Friedensarbeit und Bildung haben in der PCOSS die höchste Priorität, sagte John Yor, Generalsekretär der PCOSS, während eines Treffens der Delegation mit Mitarbeitern der Bildungsabteilung der PCOSS und Vertretern von zwei südsudanesischen Partnerorganisationen, ACROSS und RECONCILE International.
Diese beiden Organisationen arbeiten zusammen im Rahmen von Bildungs- und Friedensarbeitsprojekten im Südsudan, wo sie Lehrer ausbilden, Gemeinschaften zugunsten der Bildung mobilisieren, Schulgebäude errichten und versuchen eine friedliche Umgebung zu schaffen, die Schülern guttut.
Im Südsudan haben 87% der Lehrer keine Ausbildung. Nur 10% der Kinder vollenden die Grundschule und mehr Mädchen geben die Schule auf als irgendwo anders auf der Welt. Inmitten unvorstellbarer Herausforderungen bemühen sich die kirchlichen Partner im Südsudan unermüdlichen, gegen diese tragischen statistischen Daten anzugehen.
Die stark engagierten Schwestern und Brüder haben sich vom Besuch von Chris Ferguson ermutigt gefühlt, weil er sie daran erinnerte, dass die weltweite Kirche die Kinder im Südsudan nicht vergessen hat.
Nile Theological College
Das Nile Theological College (NTC) wurde 1991 in Khartum, der Hauptstadt des Sudan gegründet. Ein zweiter Ableger wurde 2011 in Malakal im Südsudan eröffnet.
Malakal, das sich am Rande des Nils in einer strategisch wichtigen Lage befindet, war während des Bürgerkriegs, der 2013 ausbrach, eine umkämpfte Stadt. Die Stadt, einschließlich des jungen College, wurde größtenteils zerstört.
Wie durch ein Wunder konnten 80% der Bücher gerettet und von einem lokalen Politiker in Schutz gebracht werden, bis es Santino Odong, dem Rektor des College gelang, die Bücher nach Juba, der Hauptstadt des Südsudan transportieren zu lassen, wo das College neueröffnet wurde.
Seit dem Umzug nach Juba im Jahr 2014 ist das NTC gewachsen, von anfangs fünf auf nunmehr über 70 Studierende. Jeder siebte Studierende lebt zurzeit in einem IDP-Lager in oder um Juba. Eine Mehrzahl der Studierenden ist aus einem anderen Landesteil vertrieben worden. Wegen des Mangels an Sicherheit im Südsudan, leben alle Familienangehörige der College-Leitung in anderen Ländern (Ägypten, Sudan oder Uganda).
Als es um die Frage der Vertreibung ging, wies Chris Ferguson darauf hin, dass auch Reformatoren wie Johannes Calvin oder John Knox wegen der politischen und religiösen Unruhen ihrer Zeit ihre Heimat verlassen mussten. Insofern sei ein Großteil des reformierten Gedankenguts in einer Zeit großer nationaler und internationaler Umwälzungen entstanden. Calvin habe sogar gegenüber dem Rat der Stadt Genf darauf bestanden, dass ein Präzedenzfall geschaffen werde und Flüchtlinge willkommen geheißen werden.
Das von Chris Ferguson hervorgehobene Thema – Gottes Vorsehung und Souveränität inmitten unruhiger Zeiten – erwies sich nicht nur als wichtiger theologischer Beitrag, sondern zugleich auch als seelsorgerlicher Dienst an den Verantwortlichen der Kirchen im Südsudan, die auch angesichts unterschiedlichster Herausforderungen in diesem vom Krieg zerrissenen Land beständig ihren Dienst versehen.
Sharon Kandel, missionarische Mitarbeiterin der PC(USA), beschrieb das NTC als einen „Ort der Freude und Hoffnung.“ Sie sagte: „In der Tat glänzt das NTC wie ein helles Licht der Güte, der Treue und Herrlichkeit Gottes inmitten der Unruhen, die seit Generationen diese Gegend kennzeichnen. Für die Leitung des NTC und für diejenigen, die mit dieser Institution verbunden sind, ist es immer wohltuend, daran erinnert zu werden, dass wir zu einer weltweiten Glaubensgemeinschaft gehören, die für uns betet und uns ermutigt, unsern Glaubensweg fortzusetzen.“
South Sudan Presbyterian Evangelical Church (SSPEC)
Die SSPEC hat ihren Ursprung in der Sudan Presbyterian Evangelical Church, die ihren Sitz in Khartum hatte. Sie wurde 2011 als gesonderte Kirche gegründet, als der Südsudan seine Unabhängigkeit erlangte, erklärte Madut Tong, stellvertretender Generalsekretär der SSPEC. Aktuell gehören ungefähr 30 Gemeinden zu dieser jungen Kirche, aber wegen des fortwährenden Konflikts sind viele dieser Gemeinden jetzt in den IDP-Lagern oder bestehen aus Menschen, die aus ihrer Heimatregion vertrieben wurden. Aufgrund der mangelnden Stabilität und der Krise im Land, hat man sich hauptsächlich mit dem Pflanzen neuer Gemeinden und der Beschaffung einfacher Gebäude für die Gottesdienst befasst. Die Pastoren und Mitglieder der Kirchenleitung haben zwei Berufe -sie alle haben Jobs außerhalb der Kirche angenommen, um ihre Familien unterhalten zu können.
Chris Ferguson berichtete von einigen anderen Kirchen in Konfliktgegenden und ermutigte die Leitung der SSPEC, indem er sagte, dass Konflikte und Krisen manchmal die Chance böten, Systeme neu zu bewerten und Änderungen vorzunehmen.
Philip Akway, Generalsekretär der SSPEC, sagte, dass es ihre Vision sei, Bildung mit Berufsausbildung zu verbinden, um die Fähigkeiten der Menschen und ihre missionarischen Gaben zu fördern.
Ferguson bestärkte die Kirche in ihrer Vision und ergänzte, dass manchmal die Kirche für jemanden die einzige Chance auf Bildung sei und dass die gewährte Ausbildung die Gesamtgemeinschaft stärker befähigen könne.
Es wurde auch viel darüber diskutiert, ob nicht unter den gegebenen Umständen und angesichts des Mangels an Ressourcen die Ausbildung gemeinsam mit anderen reformierten Partnern durchgeführt werden sollte.
„Frauen wirken mit und spielen in der Kirche eine Schlüsselrolle“, erklärte Achol Majok, Vorsitzende der Frauenarbeit der SSPEC. Frauen seien in der Kirche aktiv, aber wegen der gegenwärtigen Krise im Land beschränkten sich ihre Aktivitäten jetzt hauptsächlich auf Friedensarbeit. Frauen verschiedener Gemeinden träfen sich monatlich zu Gebetsversammlungen und um Demonstrationen für den Frieden durchzuführen.
Einige Kirchenmitglieder haben am RECONCILE Friedensinstitut eine Ausbildung für die Trauma-Behandlung erhalten und es haben Workshops zu diesem Thema stattgefunden.
Frau Achol Majok wünscht sich, dass die Frauen stärker am Prozess der Änderung der Kirchenverfassung und an deren Übersetzung vom Arabischen ins Englische beteiligt würden.
Die Delegation hat auch die Jebel Market Gemeinde besucht, die stolz darauf war, ihr neuerrichtetes Gebäude mit leuchtend rotem Metalldach und frischen Lehmwänden vorzuführen. Die PC(USA) und die Booth Stiftung hatten sich an der Finanzierung des Metalldachs beteiligt. Die Kirche, die seit 2006 besteht, hatte drei Jahre lang ihre Gottesdienste unter Zeltplanen feiern müssen, weil ihr provisorisches Gebäude 2015 eingestürzt ist. Die Mehrzahl ihrer Mitglieder lebt in einem IDP-Lager am Rand der Stadt.
Häufig können sie nicht zu Gottesdienst kommen, weil sie keine Beförderung haben. Die Gottesdienstsprache der Gemeinde ist die Nuer Sprache, eine der zahlreichen Sprachen, die in SSPEC-Gemeinden gebräuchlich sind.
Für die Leitung der SSPEC war es ermutigend von den ökumenischen Bemühungen zu hören, die von der WGRK gefördert wurden. Chris Ferguson unterstrich, dass die Stärke der WGRK darin besteht, sich die Erfahrungen und Fähigkeiten der Kirchen dafür zu Nutze zu machen, dass sie Partner werden und einander helfen. Die SSPEC ist daran interessiert, Mitglied der WGRK zu werden und von den Erfahrungen und Verbindungen anderer Kirchen in Konflikt- und Krisenregionen zu profitieren.
Der Südsudan ist eine der Regionen dieser Welt, auf die sich die WGRK mit ihren Bemühungen um Frieden, Gerechtigkeit und Versöhnung richtet. Andere Regionen sind Kolumbien, die koreanische Halbinsel und der Nahe Osten.
Besonderer Dank geht an die missionarischen Mitarbeitenden der PC(USA), die zu diesem Artikel beigetragen haben: Leisa Wagstaff, Nancy Smith-Mather, Kristi Rice, Bob Rice.